Dass Wolfenstein: The New Colossus in Deutschland nur zensiert erscheint, das konnte niemanden ernsthaft überraschen. Kein Publisher hat ein Interesse daran, dass sein Spiel am Erscheinungstag beschlagnahmt wird. Und kein Publisher hat ein Interesse daran, für sein Recht auf Hakenkreuze und SS-Runen vor ein deutsches Gericht zu ziehen, bloß um eine antiquierte Rechtsprechung zu hinterfragen. Schon gar nicht, wenn sich das Zielpublikum mit der Zensur arrangiert hat und die mediale Öffentlichkeit dem vorauseilenden Gehorsam des Herstellers mit Verständnis begegnet – und sich gelegentlich gemein macht mit der aus Marketingkalkül vorgeschobenen und sachlich falschen Behauptung, dass diese Selbstzensur ja eigentlich nichts am Spiel ändere.
Gamespodcast.de Premium
Dieser Podcast steht nur Abonnenten ab 5 Dollar zur Verfügung. Wenn du noch kein Abonnent bist, dann schließe hier ein Abo ab. Wenn du vorher erstmal reinschnuppern möchtest, dann schau dir den Schnuppermonat an.
Jetzt abonnierenDu bist schon Abonnent? Dann log dich hier ein
Dass man darüber überhaupt diskutieren muss, erscheint mir bereits befremdlich. Selbstverständlich ändert eine Zensur der Symbolik die Wahrnehmung des Spiels – erst recht, wenn es sich dabei um Symbole handelt, die wie keine anderen für Unmenschlichkeit, Grausamkeit und Schrecken stehen. Genau deshalb sind diese Symbole in Deutschland ja verboten: Weil sie so stark wirken, eine so menschenverachtende Ideologie transportieren. Natürlich funktioniert eine Assoziation auch ohne explizite Hakenkreuze und Totenkopfrunen – aber der Effekt ist ein anderer. Wie mächtig symbolische Bildsprache sein kann, gerade darüber gibt doch der Nationalsozialismus beredt Auskunft. Nun kann man argumentieren, dass einen das trotzdem nicht störe. Dass man für das eigene Vergnügen keine Hakenkreuze brauche. Dass man ihr Fehlen vielleicht sogar begrüße. Das ist legitim. Aber die Behauptung, dadurch ändere sich nichts am Spielgefühl oder der Atmosphäre, die ist blanker Unsinn. Eine Veränderung der Bildsprache bewirkt immer eine Veränderung der Wahrnehmung. Man könnte das berühmte Foto des schwer verbrannten nackten Mädchens, das weinend vor einem Brandbombenangriff flieht, natürlich an den entsprechenden Stellen verpixeln. Aber ihre Nacktheit ist elementarer Teil der Wirkmacht.
Das gleiche gilt für das gesprochene und geschriebene Wort. „This is some very fine Nazi killing there, Sir“ wirkt anders als „Den Ärschen haben Sie’s aber schön gezeigt.“ Beides transportiert Anerkennung. Das eine allerdings ist feinsinniges Understatement, das durch die Symbolkraft des Nazi-Begriffes ins Absurde gezogen wird, das andere so elegant wie ein Zementmischer. Und das ist nicht nur ein Problem der Übersetzung. Denn diesen Effekt kann kein Übersetzer der Welt retten, wenn er sich der Symbolkraft des Nazi-Begriffes nicht bedienen darf.
[Um den vollen Text zu lesen, musst du als Backer eingeloggt sein]