Der Tod von allem und jedem

Ich bekam kürzlich von einem Studierenden einen Fragebogen zugeschickt, in dem ich für seine Abschlussarbeit zum Untergang des Singleplayer-Spiels Stellung beziehen sollte. Es ging dabei nicht so sehr um die Untersuchung der Frage, ob das Singleplayer-Spiel untergehe. Es wurde nach den Gründen gefragt, warum es untergehe. Der Tod des Singleplayer-Games wurde als Tatsache vorausgesetzt. Als Beleg wurden lediglich zwei Überschriften in den einschlägigen Medien angegeben, welche die Todesnachricht verbreitet hatten.

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Nun, ich bin aus zahlreichen Gründen nicht der Meinung, dass es untergeht. Mehr dazu später. Was mir nur – zum wiederholten Male – auffiel: Nicht nur, dass Medien natürlich viel eher eine Headline verkauft bekommen, in der der Untergang von etwas vor kurzem noch unbesiegbar scheinenden verkündet wird. Nein, dieses entweder-oder-Denken scheint sich überall einzuschleichen. Sogar bei meinen Studierenden. Sogar in ihren Abschlussarbeiten, wo es tatsächlich gar nichts verloren hat. Ach: eigentlich haben solche Zuspitzungen fast nirgendwo etwas verloren, aber das erste Opfer der Klickzahlen ist natürlich die Wahrheit. Das ist nichts Neues – und eigentlich sollten auch Studierende das schon begriffen haben: eine Medienüberschrift ist kein Beleg.

Interessanterweise spielen sie aber eine wichtige Rolle dabei, dass ihre Prophezeiungen eigentlich beinahe nie eintreffen.

Ich habe in den über 25 Jahren, die ich Spiele mache, schon mindestens fünfmal gelesen, dass der PC stirbt. Und ebenso häufig, dass er gewonnen hat und die Konsolen sterben. Gerade sterben beide, wegen Mobiltelefonen. In ein paar Jahren werden die mobilen Endgeräte auf dem Sterbebett liegen – wegen Konsolen und PC. Ich werde gleich erklären, warum. Die Gamesgeschichte ist – wenn man den Gamesmedien Glauben schenkt – die Geschichte einer fortwährenden Zombieapokalypse von Plattformen, die schon längst tot sein müssten und stattdessen immer weiter durch die Gegend marodieren und andere Hardwareformen verspeisen.

Das Jahr ist 2007. Die Headline von VideoGamer.com betrauert den baldigen Tod des PC Gaming. Eingetreten ist der aber nicht.

Alles, was aber jemals wirklich gestorben ist, sind frühere Generationen von anderweitig noch sehr lebendigen Technologien. Haben Sie, verehrte Zuhörer, jedes Mal den Untergang der Menschheit vor Augen, wenn sie die Todesanzeigen lesen? Nein? Ich auch nicht. Die Annoncierten waren in der Regel sehr alt, ihre Zeit einfach gekommen. Keiner kommt hier lebend raus. Das ist normal. Aber die Menschheit wird nicht an Überalterung zu Grunde gehen. Genauso wenig wie der PC. Dafür ist die Technologie schlicht zu flexibel und der Bedarf an leistungsfähigen stationären Computern zu groß.

Was ist nicht schon alles gestorben im Spielmarkt! PC, klar! Konsolen sowieso. Zu lange Spiele. Und dann zu kurze. Rundenbasierte Strategie. Dann die Echtzeit. RPG, Point & Click Adventure: Alle schon gestorben, einige davon mehrfach. Mobile würde alles andere töten, wurde gesagt – um dann selbst zu sterben. Gerade ist es wieder auf Mord aus. Free-to-play kills Retail! Free-to-Play erstickt an sich selbst. Minecraft tötet alles andere. Nintendo ist tot – und jetzt doch nicht. Sony auch.

Entweder überall stehen die Toten wieder auf und es geht zu wie vor dem Jüngsten Gericht! Oder die Todesmeldungen sind in der Regel ein wenig übertrieben.

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