Ein level playing field versprach die Kanzlerin 2017, kurz vor der letzten Wahl, auf der Gamescom zwischen deutschen und anderen europäischen Spieleproduzenten.
Wenn sie damit gemeint hat, dass ihre Regierung die deutsche Industrie leveln, sprich: plattmachen will, dann ist sie kurz davor, dieses Wahlversprechen zu erfüllen.
Und jetzt, nachdem ich mit der Tür im Haus liege, klopfe ich noch mal an. Worum geht es eigentlich?
Der Herr Söder, ganz unten weit in Bayern (wie der Geheimrat Goethe formuliert hätte), dieser Herr Söder also, heißt es, fürchte angesichts der Umfragewerte für zwei seiner Bundesminister, namentlich die Herren Seehofer und Scheuer, um die Reputation seiner Partei. Nun ist es für einen Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten nicht unbedingt nachteilig, wenn sich auf den Plätzen hinter ihm eher schwache bis zwielichtige Charaktere tummeln, denn die werden eher ungefährlich für ihn sein, wenn es darum geht, die eigene Macht zu erhalten. Aber 12% Zustimmungswerte, wie sie der Herr Scheuer momentan noch wahrscheinlich vor allem beim illiteraten Teil der Gesellschaft einfährt, das beschädigt dann irgendwann den Markenkern. Da wird Herr Söder zu Recht nervös, denn auch in Bayern ist auf dem Wahlzettel die CSU nicht mehr die Default-Option. Die Grünen lauern.
Und wie wichtig es wäre – gerade für die Gamesbranche – den Herrn Scheuer von der Lenkung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, kurz: BMVI abzulösen, das zeigt sich dieser Tage mal wieder. Denn Scheuers Ministerium ist gerade dabei, der Spieleindustrie von hinten einen Schlag zu versetzen, von dem sie sich so schnell nicht wird erholen können. Dazu gleich mehr.
Herr Söder drängt also auf eine Kabinettumbildung in Berlin, und wenn die nicht kommt, wird er womöglich die beiden Herren im Alleingang nach München zurückpfeifen. Den Herrn Entwicklungsminister Müller würde er von seinen drei Ministern gerne behalten, der zeichnet sich durch Sachkenntnis aus und hat sogar bei den Grünen Sympathisanten. Die anderen beiden können weg. Bzw. müssen. Seehofer wegen Inkompetenz. Scheuer, weil gegen ihn selbst Seehofer wie ein nerdiger Fachmann aussieht.
Der ganze Vorgang hat mit der Gamesbranche wesentlich mehr zu tun, als der Normalbürger so gemeinhin denken würde. Für meine informierten Podcasthörer allerdings ergibt sich der Zusammenhang sofort. Der Name Scheuer hat sich innerhalb der letzten zwölf Monate zum `“Gottseibeiuns“ der Branche entwickelt. Daran hat er aber auch hart gearbeitet. Zumindest solange man konsequentes Alles-falsch-Machen als Arbeit bezeichnen möchte. Beim game-Verband, so möchte man sich das vorstellen, gehen sie inzwischen sonntags in die Kirche, um für eine baldige Entscheidung Söders zu beten. Felix Falk soll gar beim Papst schon um eine Privataudienz gebeten haben. Und das mit den besten aller Gründe.
Dementi: Felix Falk hat noch keine Audienz beim Papst beantragt!
Nicht nur, dass es natürlich Scheuers Scheißegal-Haltung zu verdanken war, dass eine langfristige Games-Förderung tatsächlich erst in letzter Sekunde in die kommenden Haushalte geschrieben wurde. Und an seinem Einsatz wird das letzten Endes positive Ergebnis sicher nicht gelegen haben. Dafür waren Bundestagsmitglieder beinahe aller Fraktionen (Ausnahme: AfD) und aller Ministerien beteiligt. Und, nicht zu vergessen, der pausenlose Einsatz unserer Branchenvertreter vom game-Bundesverband. Nur aus dem Verkehrsministerium wollte sich eine deutliche, ministeriale Unterstützung der Gamesbranche nicht so recht einstellen. Dort war man offenkundig zu sehr damit beschäftigt, das wohl auf deutlich über 500 Millionen Euro Kosten zu taxierende Maut-Desaster juristisch und in der öffentlichen Wahrnehmung einzudämmen, ein Betrag, mit dem die Games-Förderung locker bis in die 30er Jahre hätte fortgeschrieben werden können.
Wobei es nur das Tüpfelchen auf dem i war, dass sich Scheuer nicht entblödete, dennoch auf der Gamescom dann den Batman der Branche zu mimen. Er werde alles dafür tun, die Förderung zu erhalten. Dieselbe Förderung, die er kurz vorher noch aus seinem eigenen Haushalt herausgestrichen hatte. Das hätte er natürlich mit einem einfachen Federstrich zurücknehmen können. Mehr als eine ministeriale Anweisung dürfte es dafür nicht benötigen. 50 Millionen sind ein Kleckerbetrag im Etat des Verkehrsministeriums. Tat Scheuer aber nicht, warum auch immer. Was die Frage bei so manchem aufwarf, warum ein Teil der Branche ihn dennoch auf der Gamescom willkommen hieß und seinen Lügenerguss auch noch beklatschte.
Wir verhungern an der Möhre, die Scheuer uns vor die Nase hält!
Warum also, wo die Förderung doch jetzt festgeschrieben wurde, wäre es wichtig, Scheuer schnell zu entlassen? Warum steht die aktuelle Regierung kurz davor, die deutsche Gamesbranche entscheidend zu leveln? Und zwar nach ganz unten.
Nun, nachdem dann vereinte Kräfte aus Industrie und Politik die Kuh an ihm vorbei doch noch vom Eis gezogen haben, hat sein Ministerium auch die großräumig und -artig angekündigte de minimis-Förderung derartig in den Sand gesetzt, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Massenbegräbnis bei den kürzlich noch hoffnungsfroh auf diese Hilfe hoffenden Game-Entwicklern führen wird.
Die de-minimis-Förderung war 2019 als Soforthilfe gedacht, um nicht erst eine langwierige EU-Entscheidung abwarten zu müssen (die dann auch tatsächlich bis heute andauert, und wir alle kennen Scheuers Glück mit der EU…), und diese Soforthilfe wird, wenn nicht noch ein Wunder geschieht, in einem Branchenmassaker enden, das womöglich nur von dem Untergang der US-Spieleindustrie 1983 übertroffen wird. Der Grund: die schnelle Hilfe ist fünf Monate nach Ende der Antragsfrist bei weniger als 6% der Antragsteller angekommen: 21 von 380 Antragstellern können bislang einen positiven Bescheid feiern. Der Rest hängt im Limbo. Wie der aussieht, das werde ich gleich noch erläutern. Es kann also sogar noch sein, dass die EU die Gelder früher freigibt, als Scheuer seine Soforthilfe.
Zu befürchten ist der Untergang dutzender, vielleicht hunderter kleiner Entwicklungsstudios und die Vernichtung einer womöglich vierstelligen Anzahl von Arbeitsplätzen. Denn während die Antragsteller auf die Unterstützung warten, müssen sie ihre Angestellten weiter bezahlen und dürfen – Höhepunkt deutscher Beamtendenke – auch noch nicht an den Projekten arbeiten. Wer also keine nennenswerte anderweitige Auftragslage hat, sieht jetzt Monat für Monat seine Rücklagen wegschmelzen, die eigentlich dem Projekt zu Gute kommen sollten, ohne dafür auch nur eine Zeile Code oder ein einziges Grafikasset zu erhalten.
Es gilt nach wie vor: Niemand will verstehen, um was es bei Games geht
Wie es dazu kommen konnte, das allerdings ist in seinen Paradigmen geradezu ein Lehrstück dafür, dass sich im Umgang von Politik und Verwaltung mit der Games-Industrie tatsächlich noch beinahe gar nichts geändert hat. Nach wie vor sind wir das Andere, das Fremde, etwas, mit dem man sich lieber nicht beschäftigt, und das vor allem dadurch gefährlich und unangenehm ist, dass es sich weigert, in die üblichen, hierarchisch und autoritär gedachten und organisierten politischen Maßnahmen zu passen. Ganz konkret: Die Games-Förderung scheitert aktuell daran, dass Games sich planerischen Vorstellungen verweigern, mit denen man sonst Eisenbahnbrücken baut. Oder Teile für eine Raumstation.
Der Unterschied ist eigentlich schnell erklärt, den Instanzen, die für die Zuweisung der Gelder verantwortlich sind, aber offenbar sehr schwer zu vermitteln. Eine Raumstation muss keinen Spaß machen. Sie muss nur funktionieren.
Das Beispiel ist nicht so weit hergeholt, wie es zunächst klingt. Denn tatsächlich liegt die Zuständigkeit für die Genehmigung der de minimis-Förderung nicht mehr nur bei Scheuers Ministerium. Mitarbeiter des deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt helfen seit Kurzem bei der Bewältigung der 359 restlichen Anträge.
Suizidale Randbedingungen
Nun, ohne Geld lebt die Branche schon seit Jahrzehnten erstaunlicherweise immer noch. Das ist – cum grano salis – nicht das Problem. Das Problem sind die Randbedingungen der Förderung:
- Wegen der Pflicht, nichts zu entwickeln, bevor die Förderung nicht genehmigt ist, gibt also aktuell in Deutschland 360 Entwicklungsstudios, die Däumchen drehen, weil sie an ihren Projekten nicht arbeiten dürfen, wollen sie nicht erhebliche Beträge in der Förderung riskieren. Als mittelgroßes Studio werde ich noch andere Projekte haben, aber für kleine Studios mit Fokus auf dem einen Projekt ist eine solche Wartezeit fatal. Geschätzt mehr als 2000 Entwickler in Deutschland warten also darauf, dass eine hoffnungslos unterbesetzte Genehmigungskommission in Berlin und Darmstadt ihre Arbeit macht. Eine Kommission übrigens, in der meines Wissens nach nicht ein einziger erfahrener Game-Entwickler sitzt.
- Hinzu kommt, dass die Projekte bis November dieses Jahres abgeschlossen sein müssen. Dazu haben sich die Antragsteller per Unterschrift verpflichtet. Mit jeder Woche, die vergeht, werden also die Projektpläne schwieriger einzuhalten und ein regelkonformes Abschließen des Projektes unwahrscheinlich. Zumindest dann nicht, wenn gleichzeitig auch noch ein wenig Spielspaß dabei herumkommen soll. Immerhin: hier will das Ministerium wohl gnädigerweise mit sich reden lassen.
- Die Qualität der Rückfragen, die zu vielen Anträgen aus dem Ministerium kommen und in die Öffentlichkeit durchsickern, lässt dabei vor allem auf eines schließen: Ahnungslosigkeit. Warum es unbedingt die Unity-Engine sein müsse, wird da gefragt. Oder ob man tatsächlich einen Level Designer brauche. Der Verdacht drängt sich auf, dass da völlig überforderte Antragsprüfer irgendwie den Anschein einer ordnungsgemäß strengen Prüfung erzeugen wollen, weil mit Steuergeldern ja nun mal ordentlich umgegangen werden muss. Dies in einem Ministerium, dessen Dienstherr noch kurz vor einem EuGH-Urteil den potenziellen zukünftigen Mautbetreibern einen Schadensersatz zusicherte, mit dem allein er diese auf 20 Millionen beschränkte de Minimis-Förderung bis 2035 hätte finanzieren können.
- Und jetzt, quasi als Schlussakt der Farce, holt sich das viel zu kleine und nicht sachkundige Prüfteam also noch ein paar Astronomen mit ins Boot, die sich ja mit Games ganz sicher richtig auskennen. Man möchte schreiend durch die Januarlandschaft laufen, aber wir haben ja Klimakrise.
Wer dachte, nach Dobrindt könnte es nicht mehr schlimmer kommen …
Damit das richtig ankommt: Ich will mich nicht über die Mitarbeiter von BMVI oder DZLR lustig machen, die sicher ihr Bestes geben. Und es ist natürlich einfach, einem in Gänze inkompetenten und womöglich korrupten Minister Inkompetenz und Korruption vorzuwerfen. Tautologischer geht’s ja gar nicht mehr.
Aber es ist alles so bezeichnend, so wie eigentlich schon immer, dass einem kaum etwas anderes bleibt als verzweifeltes Lachen. Mir tun die engagierten Menschen im game-Bundesverband leid, die sich seit Jahren für eine Games-Förderung engagieren – und es dann, als das Ziel endlich erreicht zu sein scheint – mit dem eitelsten und unfähigsten Verkehrsminister der deutschen Nachkriegsgeschichte zu tun bekommen. Und das, wo wir schon einen Dobrindt hatten! Mit einem Ministerium, dass offenkundig von der eigenen Entscheidung heillos überrascht wurde, dass man ja, wenn man Games fördern wolle, diese Förderungen auch irgendwie prüfen müsse.
Ich weiß von keinem meiner erfahrenen Kollegen in der Branche, dass er kontaktiert worden wäre, ob er vielleicht zumindest beratend bei der Antragsprüfung mithelfen wolle. Vielleicht habe ich das verpasst. Vielleicht erzählt man mir auch nichts. Aber ich bezweifle das doch erheblich und behaupte: Sachkompetenz wurde als nicht notwendig erachtet. Was bei anderen technischen Projekten funktioniert, muss bei Spielen doch genauso funktionieren, oder? Also: ein paar Sachbearbeiter dran, und die werden das schon wuppen. Wie viele Anträge können denn da schon kommen? Kann ja nicht so wild sein. Diese Games-Entwickler kriegen ja sicher den fetten Arsch nicht vom Sofa.
Doch bekamen sie. Eine Flut von Anträgen. Und man braucht vier Monate um einzusehen, dass man viel zu wenige Sachbearbeiter hat. Und dass man nicht sachkundig ist, das einzusehen werden noch Jahre ins Land gehen.
Das BMVI dürfte für Games gar nicht zuständig sein!
Und hier sei auch noch mal darauf hingewiesen, dass es nicht normal sein sollte, dass der Verkehrsminister überhaupt zuständig ist. Nein, auch nicht, wenn man die im Ministeriumsnamen verankerte digitale Infrastruktur noch mit hinzunimmt. Games sind keine Infrastruktur – und der Umstand, dass unsere Förderanträge jetzt offenkundig mit den Parametern von Infrastrukturmaßnahmen geprüft werden, zeigt die ganze verwurstelte Problematik des deutschen Umgangs mit innovativen Konzepten an und für sich auf. Die Produktion von Unterhaltung, Kunst oder Unterhaltungskunst wird einer deutschen Verwaltung immer fremd und unverständlich bleiben.
Games sind unbequem, weil sie kein klares Verwendungsziel haben. Man kann mit ihnen keine Fabrik bestücken, keine Straße bauen, nicht von A nach B fahren. Ihr individueller Nutzen ist innerhalb der Prüfvorschriften nicht kategorisierbar. Ja, man kann mit ihnen Geld verdienen, aber dazu muss man sie doch nicht selbst herstellen! 4 Milliarden Umsatz in Deutschland, das spult auch so knapp 800 Millionen allein an Umsatzsteuer in die Kassen. 35.000 Menschen arbeiten in der Branche in Deutschland. Insgesamt füllt die Branche auch jetzt schon den Staatssäckel mit deutlich mehr als 1 Milliarde Euro! Wozu muss man diese Dinger dann überhaupt noch produzieren?
Keiner will Games wirklich haben, keiner will Games wirklich verstehen, und also versteht sie auch keiner so gut, dass sie in der Lage wären, eine Fördermaßnahme wirkungsvoll aufzusetzen, deren Sinn viele ja auch gar nicht einsehen wollen. Spielspaß und deutsche Behörden – nein, mancher Witz ist zu naheliegend um noch witzig sein zu können. Der deutsche Verwaltungsfachangestellte kümmert sich um das Wie, nicht um das Warum des Wie. Wenn in Deutschland was produziert werden soll, dann ist Spaß im Prozess nicht vorgesehen und wird als eher hinderlich betrachtet.
Und so will man dann also große Entwickler ins Land holen?
Falls die EU die große Förderung irgendwann man genehmigen sollte (glaubt eigentlich wirklich jemand, dass Scheuer da in Brüssel gerade tatsächlich Druck macht?), dann steht zu befürchten, dass auch sie in einem Wust absurder Randbedingungen und zu erbringender Nachweise untergehen wird. Profitieren werden von ihr dann höchstens ein paar große Studios, die sich den notwendigen Overhead leisten können. Schon bei der de-minimis-Förderung kommen in den einschlägigen Communities Klagen auf, dass der Verwaltungsaufwand, den die Studios betreiben müssen, um die Anträge formgerecht zu stellen, einen guten Teil der avisierten Fördersummen wieder auffrisst.
Der game-Bundesverband muss natürlich ein nettes Gesicht dazu machen, die Bemühungen des Ministeriums loben, darauf hinweisen, dass es nun mal Anlaufschwierigkeiten sind. Wobei man den Mädels rund um Felix Falk nicht mal vorwerfen kann, nicht so deutlich wie möglich formuliert zu haben. Es ist diplomatisch zu begehendes Territorium, und für den Knüppel auf dem Tisch besitzt man schlicht keine Verhandlungsgrundlage. Ich beneide unsere Branchenvertreter um diesen Job keineswegs!Ich bewundere sie.
Für die 360 Unternehmen, die jetzt im Limbo zwischen „Kommt die Förderung?“ und „Wie bezahle ich eigentlich meine zur Untätigkeit gezwungenen Mitarbeiter?“ feststecken, wird mit jedem Tag die Luft dünner. Wenn nicht ein Wunder geschieht, ein Wunder in Form von 360 Zusagen innerhalb der nächsten paar Wochen (glaubt da irgendwer dran?), dann wird sehr bald vielen dieser Firmen die Luft ausgehen. Firmen, die sich z u einem erheblichen Teil überhaupt erst mit Blick auf die Förderung als Gewerbe angemeldet haben. Denn nur ordentlich angemeldete Studios können diese beantragen.
Da habe ich jetzt also als junger Mensch meinen Kopf aus dem Fenster gesteckt, habe ein Studio gegründet, habe mich haftbar gemacht – und jetzt lässt die Desorganisation des BMVI mich und meine Zukunft mit Rückfragen absaufen, warum ich welche Game-Engine benutze und ob ich tatsächlich einen Leveldesigner brauche. Wenn die Fragesteller die Antworten wenigstens ansatzweise qualitativ beurteilen könnten. Aber nicht einmal das ist ja gegeben. Das sind reine Alibi-Fragerunden!
Deutschland ist als Kulturnation eine Spaßwüste.
Und natürlich – und wie eigentlich immer – reichen die Probleme tiefer. Denn wenn man etwas erfolgreich tun will, dann stellt man auch ausreichende und qualifizierte Ressourcen dafür zur Verfügung. Genau dies ist nicht geschehen. Und die Notmaßnahme mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt zeigt, dass eine langfristige Lösung auch nicht wirklich angestrebt wird. Denn wir reden aktuell ja immer noch von der kleinen Förderlösung: Beträge zwischen wenigen zehntausend und maximal 200.000 Euro. Selbst die klappt nicht. Wie soll dann eigentlich, wenn die EU die große Förderung durchwinkt, diese organisiert werden? Gibt es inzwischen Verhandlungen mit Branchenveteranen über Consultings oder Mithilfe bei den Entscheidungen?
Wie will man – was ja das Ziel der Förderung ist – große Studios nach Deutschland holen, wenn hier das Risiko signifikant hoch ist, an desorganisierten Prüfmaßnahmen im zuständigen Ministerium zu scheitern? Wenn ich die beantragte Förderung noch einem halben Jahr noch nicht habe, dann kann ich ein großes Studio direkt auch wieder schließen. Dann kann die Fördersumme gar nicht mehr so hoch sein, dass sich das noch rentiert.
Kurz: keine Fachkompetenz, auch keine gewünscht, viel zu wenige Ressourcen, keinerlei Interesse für die Situation der betroffenen Betriebe: wer auch immer das BMVI dann übernehmen wird, wird eine ganz andere Kultur zu installieren haben, bis das mit der Gamesförderung dann mal klappt. Bis dahin werden womöglich tausende junge Talente aufgegeben haben und in andere Branchen abgewandert sein. Bis dahin werden Dutzende oder hunderte Indie-Studios geschlossen haben, weil sie nicht so organisiert waren oder sein konnten wie ein Bauunternehmen.
Willkommen im Augiasstall der BMVI-Kultur!
Herr Scheuer muss gehen, das steht fest. Eigentlich gehört er wegen Veruntreuung von Steuergeldern vor ein ordentliches Gericht. Für die Gamesbranche ist es zu spät. Für sie erweist sich die Assoziation mit dem BMVI als tödliche Verbindung. Ein Ministerium,
- das inhärent unfähig ist zu begreifen, dass Spiele anders behandelt gehören als Datenleitungen oder Mobilfunkmasten (die es ja auch nicht organisiert bekommt)
- das vom jeweiligen bayrischen Ministerpräsidenten als politisches Eigentum betrachtet wird, in das er lästige innerparteiliche Konkurrenz abschieben kann
- das aus exakt diesem Grund seit vielen Jahren schon ein Hort der Korruption und Intransparenz ist
- und nicht erst seit Scheuer sondern schon unter seinem Vorgänger Dobrindt nicht das geringste Interesse daran zeigt, Deutschland vom Status eines Internet-Entwicklungslands zu befreien,
Ein solches Ministerium ist exakt, was der seit Jahrzehnten gegängelten Gameswirtschaft in diesem Land noch gefehlt hat.
Wie gesagt: Ein levelled playing field versprach die Kanzlerin 2017 auf der Gamescom der deutschen Gamesbranche.
Das Versprechen ist beinahe erfüllt. Wir hatten es nur missverstanden.
In diesem Sinne bis zum nächsten Mal.