Als der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware im vergangenen November sein Konzept für eine steuerliche Förderung der deutschen Computer- und Videospielindustrie vorlegte, sorgte vor allem ein Aspekt für kontroverse Scheindiskussionen und niedergeknüppelte Strohmänner: der sogenannte Kulturtest. Demnach sollen vor allem jene Spiele förderungsfähig sein, die einen kulturellen Bezug zu Deutschland oder Europa herstellen. Die beispielsweise eine Person der deutschen oder europäischen Zeitgeschichte zum Gegenstand haben, in Deutschland spielen oder auf deutschen Filmen, Romanen, Sagen basieren. Viele Branchenbeobachter und -protagonisten lehnten das rundheraus ab. Von der Nähe zur AfD war die Rede, vom Zwang zur deutschen Leitkultur. Oder aber von einem absehbaren wirtschaftlichen Totalschaden für auf diese Weise geförderte Spiele. Internationale Erfolge seien gefragt, keine nationale Romantik.
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Nun muss man wissen, dass ein solcher Kulturtest in anderen europäischen Ländern längst üblich ist. Und dass die deutsche Filmförderungsanstalt ähnliche Voraussetzungen an die Vergabe von öffentlichen Fördermitteln knüpft wie das Konzept des BIU. Und zwar nicht deshalb, weil nationale Leitkulturen geprägt werden sollen. Sondern weil die strengen EU-Regularieren einer staatlichen Wirtschaftsförderung sehr enge Grenzen setzen. Deklariert man diese Wirtschaftsförderung aber kurzerhand zur Kulturförderung und knüpft sie an einen leicht zu überspringenden Kulturtest, dann hat man eine ebenso effektive wie scheinheilige Lösung für das eigentliche Anliegen geschaffen: den eigenen Wirtschaftsstandort und -zweig zu stärken.
Dass ein deutscher Branchenverband und seine Mitglieder ein berechtigtes Interesse daran haben, im internationalen Wettbewerb von den gleichen Schlupflöchern zu profitieren wie die europäische Konkurrenz und andere Medien – das ist durchaus verständlich. Aber es macht die Diskussion um eine staatliche Kulturförderung für Spiele nicht weniger verlogen. Im Kern nämlich geht es dem BIU nicht um Kultur oder mehr Spiele mit deutschem Bezug, sondern um Steuererleichterungen für seine Mitglieder. Das Kulturargument soll ablenken, nicht konstituieren. Wie weit es entgegen der im Konzeptpapier postulierten Werte von künstlerischer Vielfalt und kultureller Ausdrucksform tatsächlich her ist mit dem Kultur- und Vielfaltverständnis des Vorschlags zeigt ein Blick in den Gesetzesentwurf: Mindestens 200.000 Euro muss demnach die Entwicklung eines Spiels kosten, damit es überhaupt förderungsfähig ist. Das schließt einen erheblichen Teil der deutschen Indie-Szene von vorneherein aus.
Die anschließende Branchendiskussion unterstreicht die Stoßrichtung eindrucksvoll: Niemand will ernsthaft mehr Spiele über Deutschland. Sondern mehr Spiele aus Deutschland. Auf der Strecke bleibt dabei eine schlüssige und vor allem ehrliche Erklärung dafür, warum die Allgemeinheit das quer finanzieren sollte. Warum soll ich Portal Knights oder Shadow Tactics, zwei Gewinner des diesjährigen Deutschen Computerspielpreises, über den Umweg meiner Steuermittel kulturfördern? Welchen kulturellen Beitrag leisten sie? Diese Frage kann oder will nicht einmal der von den Branchenverbänden BIU und GAME mitgetragene Deutsche Computerspielpreis beantworten. Die offizielle Jurybegründung für das mit 110.000 Euro dotierte beste deutsche Spiel lautet: „Das Action-Rollenspiel Portal Knights besticht durch eine kunterbunte und clevere Mischung aus bekannten Spieleelementen und überzeugt sowohl große als auch kleine Spieler.“
Überzeugt große und kleine Spieler: Portal Knights (Bild: Keen Games)
Nun wehre ich mich gar nicht grundsätzlich dagegen, kunterbunte und clevere Mischungen aus bekannten Spieleelementen, die sowohl große als auch kleine Spieler überzeugen, steuerlich zu subventionieren. Ich subventioniere so viel Unsinn, da gehören kunterbunte und clevere Mischungen aus bekannten Spieleelementen, die sowohl große als auch kleine Spieler überzeugen, noch zu den schlüssigeren Kriterien. Aber ich wehre mich dagegen, das unter falscher Flagge zu tun. Und ich wehre mich dagegen, die wichtige und relevante Diskussion um eine Kulturförderung von Spielen den wirtschaftlichen Interessen der Hersteller unterzuordnen.
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